In unserem Blogeintrag vom 19. Mai 2010 haben wir über den offiziellen Einladungsflyer zur "Interkulturellen Woche 2010" in Darmstadt informiert und boten diesen seitdem auf unseren Seiten auch zum Download an.

Der Flyer kündigt in einem, von uns selbst formulierten Text, die "Lebende Bibliothek" an. Entsprechend war unsere Aufmerksamkeit zunächst 'nur' - im Sinne eines "proof readings" - auf diesen Abschnitt gerichtet. Bei genauerer Lektüre des dritten Abschnitts des "Vorworts" allerdings, bekommen wir heute ziemliche 'Bauchschmerzen'.

Der Abschnitt liest sich wie folgt:

Eberstadt als ein Stadtteil ist ein geeigneter Ort für die Veranstaltungen, da hier Menschen verschiedenster Herkunft wohnen, ihr Leben gestalten und sich begegnen. Der Süden von Eberstadt ist multikulturell, der alte Ortskern eher monokulturell. Beides hat seine Vor-, bzw. Nachteile, wie wir aus der Botanik wissen. Monokulturen sind rationeller zu pflegen, Multikulturen sind aufwändiger, aber weniger ruinanfällig, da Schädlinge nie die ganze Ernte vernichten. Und, gut durchdacht, ergeben sich potenzierende Synergieeffekte in dieser Pflanzen-WG. Während der eine Mitbewohner Nährstoffe für den anderen einträgt, schützt der wiederum seinen Genossen vor "Schadenseinwirkung". Diese Chance in Eberstadt zu erkennen und zu leben möchte die Interkulturelle Woche ermöglichen. Die VeranstalterInnen haben hierzu wieder ein vielfältiges Programm auf die Beine gestellt.

Nicht nur die pauschale Gegenüberstellung vermeintlicher, räumlich voneinander abgrenzbarer "mono-" und "multikultureller" Bezirke im Darmstädter Stadtteil Eberstadt befremdet, sondern die biologistische Rhetorik insgesamt, in der von "Ruinanfälligkeit", "Nährstoffeintrag" durch den "einen Mitbewohner" im Austausch gegen Schutz vor "Schadenseinwirkung" durch den anderen bzw. durch "Schädlinge" (!) die Rede ist, die potentiell in der Lage seien, eine "ganze Ernte" zu vernichten. Abgesehen davon, dass es im biologischen Sinne keine "Schädlinge" gibt (s.u.), sind Vergleiche dieser Art - wie man weiß - selten zielführend, aber immer schon reichlich gefährlich gewesen! Im Kontext der Ankündigung einer Veranstaltung wie der "Interkulturellen Woche" verwundern diese umso mehr!

Insofern wir mit dem Namen unseres Vereins und als Mitveranstalter der "Interkulturellen Woche" in dem Flyer auftauchen und gerade deshalb, weil wir das Gesamtziel der Woche nach wie vor unterstützen, liegt uns viel daran, uns an dieser Stelle sowohl von der unglücklichen Wortwahl und dem dahinter stehenden 'Konzept' von "Kultur" und "Biologie" in aller Form und Deutlichkeit zu distanzieren.

Marc Reinartz, Sven Rasch, Nemo Altenberger

"Der Ausdruck Schädling ist eine Kollektivbezeichnung für Organismen, die den wirtschaftlichen Erfolg des Menschen schmälern, sei es als Zerstörer von Kulturpflanzen, als Nahrungskonkurrent oder durch Zerstörung von Bauwerken. Der Begriff ist somit abhängig von den Wertvorstellungen der Gesellschaft. Die Bewertung des Schadens geschieht dabei aus rein wirtschaftlicher Perspektive des Menschen und ist kein Begriff der Biologie." | Quelle: Wikipedia, Artikel "Schädling"

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