Darmstadt-Kranichstein ist schon immer ein Stadtteil gewesen, in dem es viele Cliquen gab und gibt. Früher war es oft so, dass sich die Cliquen nach den Herkunftsländern gebildet haben. Heute bestehen die Cliquen aus Jugendlichen verschiedener Nationen. In Kranichstein gibt es einige Angebote für die Jugendlichen, ihre Freizeit zu verbringen. Vor allem die Jugendhäuser bieten den Jugendlichen viele Optionen unter der Woche sowie am Wochenende. Dennoch gibt es Jugendcliquen die es nicht in die Jugendhäuser zieht, weil sie lieber unter sich sein wollen oder es Konflikte mit anderen Gruppen gibt. Die Jugendlichen halten sich dann rund um die Uhr an den verschiedensten Orten in ganz Kranichstein auf. Mit der Zeit haben sich immer mehr Jugendcliquen in Kranichstein gebildet, die aus den verschiedensten Gründen keines der Jugendhäuser besuchen, wodurch die Konflikte zwischen Anwohnern und den Jugendlichen mehr und mehr zunahmen. Vor allem an den Wochenenden oder in den Ferien, in denen die Jugendlichen noch über die Öffnungszeiten der Jugendhäuser hinaus zusammen "abhängen" kommt es oft zu Konflikten.

Ziel des V.I.P.eers-Projekts in Kranichstein

Der/Die klassische Sozialarbeiter/-in hat meist nicht so einen guten Draht zu den Jugendlichen, so dass diese auch keinen großen Einfluss auf die Jugendlichen haben. Das hat dazu geführt, dass das Cliquenprojekt ins Leben gerufen wurde. Anstatt des klassischen Sozialarbeiters sollen die V.I.P.eers sich um die Jugendlichen kümmern. Die V.I.P.eers sind Jugendliche, die selbst in Kranichstein aufgewachsen sind und so die meisten Jugendlichen kennen oder sogar mit ihnen befreundet sind. Für die V.I.P.eers ist es einfacher ein Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen aufzubauen. Die V.I.P.eers sind oft auch Vorbilder für die Jugendlichen, so dass ein Ratschlag auch eher angenommen wird. Also die perfekte Schnittstelle zwischen Jugendlichen und dem Rest der Kranichsteiner Bevölkerung. Zu unseren Zielen gehört, für Jugendliche, die nicht die Jugendhäuser besuchen, Freizeitbeschäftigungen zu finden, die Konflikte zwischen Anwohnern und Jugendlichen zu lösen und den Jugendlichen bei Fragen und Problemen zu helfen.

Vertrauen ist die Basis unserer Arbeit

Um einen Überblick über den Stadtteil zu bekommen erkundeten wir die Straßen nach Jugend- und Kindergruppierungen um Brennpunkte im Stadtteil zu ermitteln. Zu Beginn waren wir bemüht, das Projekt und uns vorzustellen, um den Jugendlichen und den Einwohnern zu zeigen, dass da jemand ist der ihnen bei verschiedenen Problemen zuhört und versucht zu helfen. Durch Lösen einiger Probleme und durch aufmerksames Zuhören hat sich eine lockere Atmosphäre und Vertrauen entwickelt. Vertrauen ist die Basis unserer Arbeit.

Nach der Anfangsphase war es wichtig Präsenz zu zeigen. Konflikte wurden durch eingehende Gespräche mit Cliquen und Einwohnern gelöst, durch Nahebringen anderer Orte für die Jugendlichen, wo sie ungestörter sind, und den Jugendlichen wurden die Jugendhäuser näher gebracht, wo sie mit Jugendlichen aus anderen Cliquen in Kontakt kommen, wodurch der Konflikt auf der Strasse abnimmt. Ziel ist es weiterhin, zwischen den Einwohnern und Cliquen und den Cliquen untereinander zu vermitteln, so dass alle sich respektieren und würdevoll miteinander umgehen. Wenn sich Jugendliche z.B. in dicht bebauten Wohnsiedlungen treffen, gefällt das den Anwohnern meist nicht. Sie rufen oft die Polizei. Die Polizei aber kann in den meisten Fällen keinen "Verstoß" feststellen und die Jugendlichen nur bitten, Rücksicht auf die Anwohner zu nehmen. Die Jugendlichen sind oft laut und hinterlassen ihren Müll, so dass auch am nächsten Tag noch die Spuren vom Vortag zu sehen sind. Oft versuchen Anwohner die Jugendlichen weg zu jagen oder beschimpfen sie nur, was natürlich nicht zu Verbesserung der Lage führt. Oft verhalten sich die Jugendlichen dann trotzig. Durch unsere Präsenz und viele Gespräche haben wir es oft geschafft, den Jugendlichen klar zu machen, dass sie an anderen Plätzen doch ungestörter sein können und niemand da ist, der ständig die Polizei ruft oder sie anmotzt. Wir gehen auch mal mit den Jugendlichen Bowlen oder organisieren Veranstaltungen für die Jugendlichen wenn sie uns entgegen kommen. Durch dieses "Prinzip von Nehmen und Geben" wächst das Vertrauen ständig.

Im Sommer treiben die Jugendlichen oft Sport im Freien. Einer der beliebtesten Plätze ist der Sportplatz an der Erich Kästner-Schule. Die älteren Jugendlichen nehmen sich dann meistens das Recht, alleine auf dem Platz zu spielen, daher müssen wir da oft präsent sein, so dass auch die jüngeren die Möglichkeit haben zu spielen. Die jüngeren Jugendlichen sehen so, dass da jemand ist, der für einen da ist, und man wird dann oft mal selbst angesprochen, wenn sie irgendein persönliches Problem haben. Da im Sommer die Sonne erst spät untergeht und die Jugendlichen - solange sie noch was sehen - gegen die Absperrung "bolzen", führt dies oft zu Konflikten mit Anwohnern. Für die Anwohner, die am nächsten Tag früh raus müssen, ist das störend und raubt ihnen denn Schlaf. Durch unsere Präsenz hören die Jugendlichen dann früher auf und spielen eventuell an anderen Orten weiter wo, sie niemand stören.

Man muss ihnen zeigen, dass man ihnen helfen und sie nicht "kontrollieren" will

Es gibt auch Jugendcliquen in Kranichstein, die Gewaltbereit sind und die der Meinung sind, dass jeder Respekt - oder besser gesagt: Angst - vor ihnen haben muss, aber sie selbst respektieren kaum jemanden. Unser Vorteil ist hier, dass wir im selben Stadtteil groß geworden sind und daher besser mit diesen Jugendcliquen Kontakt aufnehmen können. Das Vertrauen dieser Jugendlichen zu gewinnen dauert oft länger als bei anderen Jugendlichen. Man muss ihnen zeigen, dass man ihnen helfen und sie nicht "kontrollieren" will. Das machen wir z.B. dadurch, dass wir ihnen helfen: bei Klausuren, beim Bewerbungen schreiben oder indem wir ihnen Ratschläge geben, wo ihnen noch geholfen werden kann. So baut sich mit der Zeit ein freundschaftliches Verhältnis auf und diese Jugendlichen respektieren einen. So können durch die V.I.P.eers Konfliktsituationen mit diesen Cliquen geschlichtet werden, wo andere nicht gehört werden.

Das Prinzip Geben und Nehmen
"Wir arbeiten mit dem Prinzip schon seit dem ersten Jahr. Es wird versucht den Jugendlichen zu zeigen, dass das Leben nicht nur aus Nehmen besteht. Wenn die Jugendlichen auf uns eingehen und Projekte mit machen wie z. B. das Reinigen der Grünanlagen im Stadtteil, dann werden Events wie z.B. Fußballturniere, PlayStation- und Champions League-Abende, Sonntagskick in der Halle usw. von uns organisiert."

Das Cliquenprojekt dient nicht dazu, die Jugendlichen einzuschränken oder sie aus den Wohngebieten zu scheuchen, sondern wir suchen mit den Jugendlichen und Anwohnern eine Lösung, mit der beide Seiten leben können. Oft verbessert sich die Situation sogar für beide. Da wir auf die Jugendlichen selbst zugehen, bekommen wir oft Dinge mit, die die Jugendlichen so nie selbst äußern würden. Und durch unsere ständige Präsenz und das Prinzip von Geben und Nehmen hat sich die Situation in den letzten Jahren verbessert und das Vertrauen ständig zugenommen. Viele Jugendlichen, die anfangs sehr problematisch waren, sind mittlerweile älter und treffen sich nicht mehr so in den Cliquen. Aber der bedarf dieses Projekts ist dadurch nicht weggefallen, da schon die nächste Generation die alte ablöst und die Arbeit ständig von Neuem beginnt. Das Wichtigste an diesem Projekt ist das Vertrauen zu den Jugendlichen, das in den vergangenen Jahren immer größer geworden ist.

Das V.I.P.eers-Projekt in Kranichstein als besondere Methode der Jugendarbeit

Was macht diese Methode aus?

V.I.P.eers sind beweglich und unterwegs. Sie sind den Jugendlichen oft viel näher als die Sozialarbeiter/-innen in den festen Häusern, Clubs und Ämtern. Sie können mitgehen, sie können im Alltag da sein und auch die Jugendlichen erreichen, wenn das Vertrauen besteht.
Cliquenprojekt passiert vor allem auf der Straße, im öffentlichen Raum oder an Bus- und Bahnhaltestellen. V.I.P.eers müssen sich auf Jugendszenen einlassen. Das ist schwer. Aber es wird von den Jugendlichen hoch geschätzt, wenn sie nicht nur als (potentielle) Ruhestörer oder gar "Täter" angesehen werden! Gerade weil V.I.P.eers keine "Macht" ausüben und keine Räume pflegen, können sie mehr Zeit und Offenheit für Jugendliche bieten
V.I.P.eers sind "am Ball". Sie können den Alltag und den Bedarf der Jugendlichen besser wahrnehmen als andere. Wer wirklich wissen will, was Jugendliche beschäftigt, ist gut beraten, einen solchen guten Draht und solche "Vermittler" zu den Jugendlichen zu haben.
V.I.P.eers bieten den Jugendlichen ein erreichbares Gesprächsangebot, die Aufmerksamkeit für Fehlentwicklungen, die Beratung und Hilfe bei wirklich drängenden Problemen in Familie, Schule und Ausbildung. Die Person ist wichtiger als Räume und Clubs. Räume lassen sich relativ rasch wieder finden und öffnen, wenn Geld da ist. Aber persönliche Hilfen brauchen Zeit und Kontinuität. Sie müssen bleiben! Da sollte zuletzt gespart werden.
V.I.P.eers erreichen viele! In den Jugendclubs halten sich oft nur abgegrenzte Szenen oder eine/mehrere bestimmte Clique/n auf. Dagegen können V.I.P.eers mit verschiedenen, manchmal sogar gegensätzlich eingestellten Szenen und Cliquen Kontakt pflegen. Oft sollen sie es ja ausdrücklich, damit Konflikte überbrückt werden.

Internettipp: Streetwork-Gera e.V.

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